21. Oktober 2013
Grenzen erfahren – Grenzen überschreiten
Erlebnispädagogische Exkursion der Oberstufe der Fachschule Sozialpädagogik
Gemeinsam in einem Boot zu sitzen, bedeutet auch, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Entweder man geht unter oder erreicht das rettende Ufer. Wer diese Erfahrung einmal macht, weiß, wie wichtig es ist, dem anderen zu helfen und ihm gleichzeitig zu vertrauen. Christine Schmidt-Hansen, Lehrkraft für Erlebnispädagogik, hat den angehenden Erzieherinnen der Fachschule Sozialpädagogik diese Erfahrung ermöglicht.
Dietrich Waltemate, Leiter des Evangelischen Kirchenkreisjugenddienstes Hildesheim-Sarstedt (KKJD), sitzt am Steuer des Bullys. Der Anhänger ist gepackt, die Schülerinnen haben Platz genommen, die Fahrt geht los: vom Michaelisviertel nach Gronau. Hier fließt die Leine durch das beschauliche Städtchen. Wenn alles gut geht, wird der Fluss die Schüler an ihr Ziel, die Marienburg, bringen. Im Anhänger sicher verstaut: vier Schlauchboote für die zweiundzwanzig Schüler des Oberkurses b, für Dietrich Waltemate sowie die Lehrkräfte
Christine Schmidt-Hansen und Daniel Prüfer. Es ist nicht nur einfach eine Fahrt ins Blaue, sondern Unterricht im Fach Erlebnispädagogik. Und Unterricht will gut vorbereitet sein. Bereits im vergangenen Schuljahr wurden Modelle erarbeitet, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie man über die eigenen Grenzen hinauswachsen kann. Ganz klar: die Theorie braucht Praxis. Das Ziel und die Fortbewegungsmittel haben die Schüler selbst gewählt. Die Schülerin Kristin Volkmar, die sich seit Jahren im KKJD engagiert und als Teamerin mit Jugendgruppen arbeitet, hat diese Fahrt möglich gemacht.
Im Boot sind sich die Schülerinnen erst einmal selbst überlassen. Die Kleingruppen müssen sich organisieren und zum Team heranwachsen. Kommunikation ist entscheidend. Klar, dass dies Zeit braucht. Während ein Boot zu Beginn im Zickzackkurs gefährlich nah ans Ufer gerät, fährt ein anderes dem Ziel entgegen. Doch bei der Erlebnispädagogik geht es nicht ums Gewinnen. Man soll lernen, sich über die eigenen Bedürfnisse Gedanken zu machen und eben auch über die Bedürfnisse der anderen Teilnehmer. In der Großgruppe zeigt die Klasse besonderen Zusammenhalt. Ein Boot wird vorm Untergehen gerettet, ein anderes an das rettende Ufer gezogen. Und hier zeigt sich: Erlebnispädagogik ist die bestmögliche Vorbereitung für den Beruf, besonders auch für Erzieherinnen. Denn in einigen Monaten sind es die jetzigen Schülerinnen, die als pädagogische Fachkräfte bei den Kindern und Jugendlichen Vertrauen aufbauen müssen. Erzieherinnen müssen die Fähigkeiten haben, genau zu beobachten und z.B. Ängste zu erkennen und Ängste einzuschätzen, aber es auch den Kindern ermöglichen, über sich selbst hinauszuwachsen.
Um die Auseinandersetzung mit den eigenen Fähigkeiten geht es auch in der Parallelklasse. Der Oberkurs a hat sich für den Hohnsensee und für Paddelboote entschieden. Lars Hermann, einer der Teamer des Kanuzentrums Hildesheim, ermöglicht es den Schülerinnen, Grenzerfahrungen zu machen. Nur mit den Händen wird gepaddelt und ein Ball hin und her geworfen, zumindest solange es die gegnerische Gruppe nicht verhindert. Die Schülerinnen balancieren über die zum Kreis formierten Boote oder müssen mit ihrem Kanu von einer Treppe ins Wasser gleiten. Wichtig dabei ist, nicht nur mutig zu sein und Grenzen zu überschreiten, sondern auch deutlich zu machen, wozu man überhaupt bereit ist.
Die Exkursionen der beiden Klassen bieten genug Gelegenheit, im Unterricht die Praxis mit der Theorie zu verbinden. Im Unterricht von Christine Schmidt-Hansen wird das eigene kommunikative Verhalten reflektiert, über die eigenen Gefühle gesprochen, das Verhalten der Teamer untersucht. Im Anschluss werden mithilfe der erworbenen Kompetenzen erlebnispädagogische Angebote entworfen. Und so können diese baldigen Erzieherinnen nach ihrem Examen im Sommer 2014 ebenfalls kompetent mit Kindern und Jugendlichen erlebnispädagogisch arbeiten.
(Text: Christine Schmidt-Hansen, Daniel Prüfer, Fotos: Wiebke Schulz)